„Ab Herbst 1940 konnte man an den Bahnhöfen
Lapplands und entlang der Eismeerstraße Soldaten sehen, die fremde Sprachen
sprachen. Die Bewohner Lapplands wunderten sich über in prächtige Uniformen
gekleidete Soldaten, die überraschend in ihrem Heimatland auftauchten und
allmählich Gebäude und Felder in Gebrauch nahmen. Von da an begann ein vier
Jahre dauerndes Zusammenleben, das in der dramatischen Zerstörung Lapplands im
Herbst 1944 endete.“ (aus http://www.arktikum.fi/DE/ausstellungen/wechselnde-ausstellungen/wir-waren-freunde-olimme-ystavia.html)
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Eine kleine Finnin. Bild: Lapin Maakuntamuseo |
Am 27. April
2015, dem 70. Jahrestag des Kriegsendes in Lappland, wurde im Museum „Arktikum“
in Rovaniemi die Sonderausstellung „Wir waren Freunde – Olimme ystäviä“
eröffnet. Mithilfe von Bildern, Dokumenten, Briefen und verschiedenen
Gegenständen wird die Geschichte der deutsch-finnischen Beziehungen in Lappland
in den Jahren 1941-1944 erzählt.
Kurz über die Geschichte
Wenn man über
Deutschen in Lappland spricht, fällt wahrscheinlich den meisten auf, wie die
Hauptstadt Lapplands Rovaniemi von der deutschen Armee im Jahr 1944 abgebrannt
wurde – nur 7 oder 8 Gebäude blieben stehen. Die Geschichte der Deutschen in
Lappland beginnt aber einige Jahre früher, als Finnland und Schweden im
September 1940 Transitverträge mit Deutschland
über Transporten schlossen. Damals hielten die Deutschen Nordnorwegen
besetzt und man konnte auf die Straßen und Eisenbahnen des Nordens eine
zunehmende Anzahl von Deutschen sehen. Infolge der militärischen Zusammenarbeit
war Nordfinnland in den Jahren 1941-1944 Kriegsoperationsgebiet der deutschen
Truppen, Lappland blieb aber kein Besatzungsgebiet der Deutschen.
Zwischen
Deutschen und Finnen entwickelten sich lebhafte und komplexe Beziehungen, die
durch diese Ausstellung präsentiert werden und Anreiz für Nachdenken bieten.
In Erinnnerung geblieben sind die
deutschen Soldaten den Einheimischen als stattlich, mit guter Haltung und
munter singend. Die Finnen fanden die Deutschen gepflegt und stichelten sogar
ein wenig über ihre Gepflogenheit.
Alltag der deutschen Soldaten in
Lappland


Die Waffenbrüderschaft
war besonders bei den sportlichen Wettkämpfen zu sehen und zu hören. Die
Deutschen nahmen z.B. an die Ounasvaara-Wintersportwettkämpfe teil, wo sie mit
Sportlern von Weltmeisterschaftsniveau konkurrierten. Die Teilnahme an solchen
Sportveranstaltungen war für die deutschen Soldaten oft eine Art Entspannung,
oder sogar ein „Urlaub vom Tode“ für
diejenigen, die an der Front waren.
In Ounasvaara
wurde oft Generaloberst Eduard Dietl (1890-1944) gesehen. Dietl gehörte der
Nationalsozialistischen Partei an und war einer der wenigen Favoriten Hitlers
unter den Generalen. Dietl galt für die Finnen als sympathisch und wurde auch humoristisch
als „Freund Finnlands“ beschrieben. Dietl verlangte von seinen Truppen eine
freundliche Einstellung gegenüber den Finnen und ging selbst mit gutem Beispiel
voran.
In den Jahren
1942-1944 wurde in Rovaniemi der deutsche Soldatensender Lapplandsender betrieben. Er brachte vor allem Unterhaltungs- und
Musiksendungen. Besonders viel wurde der Schlager Lilli Marleen (auf Finnisch Liisa
pien‘) gespielt. Amerikanische und englische Musik waren verboten.
Dieser
Kanal war im gesamten Frontbereich zu hören und weil das Programm gut zu
empfangen war, gab es auch zahlreiche finnische Hörer. Im Archiv des finnischen
Senders YLE (Yle elävä arkisto) ist die einzige Aufnahme des Lapplandsenders zu
hören, die erhalten geblieben ist. Die Aufnahme ist ein Nachruf von Jägeroberst
Oiva Williamo auf den tödlich verunglückten Generaloberst Eduard Dietl.
Die Deutschen hatten bestimmte Vorstellungen über
Lappland, und zwar erschien Lappland wie ein urtümlicher Ort, wo Menschen
Renntiere hüteten und in Lappenkoten wohnten.


Wer waren sie?
In den Jahren
1941-1944 hielten sich in Lappland über 200.000 deutschen Soldaten auf.
Begegnungen
zwischen Deutschen und Finnen führten oft zu Freundschafts- und eventuell auch
Liebesbeziehungen. Obwohl die Zeitungen über deutsche Soldaten und finnische
Frauen mit einem gewissen moralisierenden Ton berichteten, gab es oft ernsthafte
Liebesbeziehungen, die zu Verlobungen und Ehen führten, die aber geheim
gehalten wurden.
In der
Ausstellung wird besonders über zwei Beziehungen erzählt, und zwar eine
Liebesbeziehung zwischen einem deutschen Soldat, Sigi, und einer finnische
Frau, Liisa, und eine Freundschaft zwischen der Finnin Anna-Liisa und der Deutschen
Ingeborg.
Die Hausgehilfin
Liisa oder Elisabeth aus Petsamo und der deutsche Soldat Siegried (Sigi) hatten
sich 1941 in Petsamo kennen gelernt. Der erste Brief ist vom 1.1.1942 und von
da an kamen hunderte Liebesbriefe. Die Liebenden kümmerten sich umeinander,
sandten einander Geschenke, trafen sich und verlobten sich – und träumten von
einer Ehe. Liisa und Sigi hörten nicht auf, an ein gemeinsames Leben zu glauben,
obwohl der Krieg ständig grausamer wurde.
Anna-Liisa und
Ingeborg waren zwei gleichaltrige Mädchen, die einen Briefwechsel unterhielten.
Sie sprachen über ihren Alltag, z.B. über Schule, Hobbys, ihre Familien, Sport
und Filme. Anna-Liisa arbeitete während des Fortsetzungskrieges bei der
Provinzialverwaltung in Lappland. Zu ihren Bekanntschaften gehörten deutsche
Männer und Frauen, mit denen sie sich abends traf und Zeit verbrachte. Aus Anna-Liisas Tagebücher kann man lesen,
wie das Leben während des Fortsetzungskrieges eine intensive und gute Zeit der
Freundschaft war.
Das Leben während
der deutschen Anwesenheit in Lappland hatte aber auch Schattenseiten. Die
Gefühle der Unsicherheit und Angst führten zu einer Zunahme des Alkoholkonsums,
besonders in Rovaniemi und Kemi. Manchmal kam es auch zu Schlägereien zwischen
finnischen und deutschen Männern, deren Ursache war meistens eine Frage der
Autorität oder Eifersucht wegen einer Frau waren. Die Deutschen machten sich in
Lappland auch vieler Eigentumsdelikte und Verkehrsvergehen schuldig. Die
Eigentumsdelikte umfassten den Diebstahl von Holz, Heu, Werkzeugen und
Baumaterial, sowie das Demolieren ganzer Gebäude. Oft waren es die Spüren ihrer
besonderen Schuhe, die die deutschen Schuldigen verrieten. Verkehrsunfälle
ereigneten sich häufig, denn die unerfahrenen deutschen Fahrer auf den
überlasteten Landstraßen Lapplands fahren mussten.
Die
deutsch-finnische Waffenfreundschaft endete im September 1944 mit dem Beginn
des Lapplandkrieges. Die Finnen mussten die deutschen Truppen innerhalb von
zwei Wochen von ihrem Territorium vertreiben. Die deutschen zogen sich in
Richtung Eismeer zurück und praktizierten die Taktik der verbrannten Erde.
Alles wurde zerstört: Gebäude, Straßen, Brücken und Fahren. Die vom Lapplandkrieg
erzeugte Bitterkeit gegenüber dem ehemaligen Waffenbruder führte zu einem
Jahrzehnte Misstrauen gegenüber allem, was deutsch war, inklusiv deutsche
Touristen.
1963 wurde bei
Norvajärvi in Rovaniemi ein Friedhof für
die deutschen Soldaten angelegt, was Unruhe und Demonstrationen verursachte.
Die allgemeine Auffassung schien jedoch zu sein, dass man die Tote respektieren
musste, denn „man kann diese Leiche doch nicht hassen“. Aus dem Gebäude des
Generalquartiers sind nur einige Reste geblieben, die ins Provinzialmuseum
Lapplands gebracht wurden.